Engagiertes Ensemble (von links): Diane Dolezel, Regine Gerold,
Albrecht Leuteritz, Roland Theurer und Els Junginger

Foto:ntz


Die Nürtinger Zeitung berichtete über die Uraufführung am 26. März

War am Ende alles nur ein saudummer Traum?

Mit der hausgemachten Komödie „Die Insel“ amüsierte das Forum Türk am Freitagabend die Zuschauer im Theater im Schlosskeller

VON SUSANNE ROEMER

Was passieren könnte, wenn es in gesellschaftlich-politischer Hinsicht gelinde ausgedrückt kräftig bergab gehen würde, demonstrierte das Forum Türk am Freitagabend im Theater im Schlosskeller mit einem originellen Theaterstück in vier Szenen, das von der Idee über das Skript bis hin zur Inszenierung in den eigenen Reihen entstanden war.
„Die Insel“, so der Titel des Stücks, das als Komödie, Satire, Utopie oder sogar Vision angekündigt war, handelte von einer unorthodoxen Lösung des immer brisanter werdenden Problems nicht mehr finanzierbarer Rentenzahlungen:
man gliedert die Senioren auf eine Insel aus, ganz einfach.
Zu Beginn des Abends begrüßte Regisseur Bodo Kälber die Anwesenden und stimmte die Zuschauer mit der Entstehungsgeschichte des Stücks auf die Vorstellung ein. Aus einer Plauderei mit seiner Frau Andrea heraus sei die Idee entstanden, woraufhin Els Junginger sich mit Feuereifer daran gemacht habe, den abstrusen Stoff zu einem Theaterstück zu verarbeiten. Für Heiterkeit sorgte Kälbers Bitte ans Publikum, etwaige Texthänger freundlichst zu ignorieren und sich über womöglich nicht ganz standfeste Kulissen zu amüsieren. Erleben durfte man jedoch eine professionell und mit viel Liebe zum Detail inszenierte Komödie mit tiefsinnigem Hintergrund, die von den Schauspielern ebenso mitreißend wie vergnüglich präsentiert wurde.
Die erste Szene beginnt ganz alltäglich: Ehefrau Katja kommandiert ihren untergebutterten Gatten Stefan herum. Der wiederum versucht, mit mäßigem Erfolg, Nikotinsucht und Freundin zu verheimlichen, wobei sich Söhnchen Max nicht gerade als hilfreich erweist. Die Freunde Julia und Bernd kommen zum Kartoffelsalat, und die Ankunft von Schwiegermutter Hannelore versetzt Katja nicht in einen Freudentaumel. Doch richtig dick kommt es erst, als die ältere Dame bereits ein Schläfchen hält: im Fernsehen wird das Rentnerversorgungsbeschleunigungsgesetz verkündet, welches sämtlichen Senioren einen Marschbefehl auf die Insel „Rentania“ erteilt, wo sich die ältere Generation selbst
zu versorgen hat.

Chaos, Ratlosigkeit und Müllberge, die immer wieder vom Festland abgeladen werden, dominieren das Bild auf der Insel in der zweiten Szene, zwölf Jahre später. Hier gabeln die Paare die verwirrte und erblindete Oma Hannelore auf. Nur der Schnittlauch, den Julia findet, weckt Hoffnung auf die Zubereitung des vielgeliebten Kartoffelsalats. Doch wer den Fehler macht, die reife Generation zu unterschätzen, wird schnell eines Besseren belehrt: in der dritten Szene, weitere zehn Jahre später, findet der Zuschauer Rentania politisch, sozial und ökonomisch perfekt aufgebaut.

Hannelore wird geheilt, Stefan avanciert zum Politiker und

hat ein revolutionäres Kraftwerk erfunden, das aus Müllverwesungsgasen ohne Umweltbelastung Energie erzeugt. Chaos herrscht nun auf dem Festland, das nach

dem Beispiel Rentanias neu geordnet werden soll. Und als man in der vierten Szene erneut im Emmerichschen Wohnzimmer sitzt, scheint alles wieder in Butter.


Die Inszenierung von Bodo Kälber kommt dank der einfallsreichen Vorlage von Els Junginger und dem lebendigen Spiel der Darsteller ohne aufwendige Ausgestaltung aus. Diane Dolezel gab mit resolutem Auftreten und erhobener Stimme in der ersten Szene eine wunderbar herrische Katja ab, während Albrecht Leuteritz als leicht eingeschüchterter Gatte glänzte und durch verstohlene Blicke in das heimlich hervorgeholte Schmuddelheftchen die Lacher auf seiner Seite hatte.


Köstlich auch die schwäbischen Lästereien der beiden Damen, die in einem absolut glaubhaft wirkenden Heulkrampf von Julia alias Regine Gerold gipfelten, welche schluchzend zum Besten gab, ihrem Angetrauten im Streit alles Mögliche an den Kopf geworfen zu haben, so auch den Inhalt einer Obstschale. Schwung brachte Roland Theurer als Bernd durch ein gleichermaßen temperamentvolles wie lässiges Auftreten auf die Bühne. Dario Hipp als Mäxchen amüsierte die Zuschauer durch quirlig-vorlaute Kommentare, bis als i-Tüpfelchen Oma Hannelore in Gestalt von Els Junginger mit stoischer Gelassenheit ins Geschehen platzte.


Aber auch die leisen und ernsten Töne wurden von den Schauspielern hervorragend umgesetzt. Als Junginger mit labiler Stimme wirre Sätze stammelnd durch die Müllberge stolperte, hätte man eine Stecknadel im Zuschauerraum fallen hören können. Im Gegensatz dazu stand Theurers Erbostheit ob dem plötzlichen, wiederaufkeimenden Interesse an den fähigen Senioren.


Mit beherzter Gestik und forscher Intonation blies er Albrecht Leuteritz, der in einer zweiten Rolle als despotischer Staatsvertreter vom Festland erschien, ordentlich den Marsch. Völlig überrascht wurde der Zuschauer zuletzt mit dem abrupten Ende – als Oma Hannelore vor dem Fernseher erwachte und gelassen verkündete, etwas Saudummes geträumt zu haben.